Dietrich Zawischa | Kontakt | English version |
Heute, wo überwiegend digital fotografiert wird, hat das Negativ an Bedeutung verloren. Gängige Bildbearbeitungsprogramme bieten jedoch die Möglichkeit, ein Bild in sein Negativ umzuwandeln. Das Ergebnis sieht meist recht plausibel aus. Hier ein Beispiel:
Der Anlass, das zu untersuchen, ergab sich bei der Demonstration von Versuchen mit einem Prisma. Betrachtet man einen weißen Streifen auf schwarzem Grund und einen schwarzen Streifen auf weißem Grund, so sollten sich die beiden Bilder zueinander doch wie Positiv und Negativ verhalten oder, anders ausgedrückt, an einander entsprechenden Stellen sollten jeweils die Komplementärfarben zu sehen sein.
Das erste Bild in der Reihe unten zeigt die Vorlage, das zweite diese durch ein Prisma fotografiert. Dazu ist zu sagen, dass die Farben, die man sieht, wenn man den schmalen weißen Streifen durchs Prisma anschaut, alle außerhalb des auf dem Bildschirm darstellbaren Bereiches liegen. Dagegen sind alle Farben, in denen man den schwarzen Streifen auf weißem Grund sieht, exakt reproduzierbar. Das zweite Bild kann daher in der rechten Hälfte nur ungefähr wiedergeben, was zu sehen ist. Das vierte Bild ist durch Umwandlung des zweiten mit einem Bildbearbeitungsprogramm in ein „Negativ“ entstanden – es sollte eigentlich wie ein Spiegelbild des zweiten aussehen.
In den Bildern werden die Helligkeiten von R, G und B für die Darstellung auf dem Bildschirm durch Zahlen L von 0 bis 255 angegeben. Ersetzt man L jeweils durch 255 − L, so erhält man die umgedrehten Farben im vierten Bild. So wird die Umkehrung durch die Bildbearbeitungsprogramme durchgeführt.
Um ein richtiges Negativ zu erhalten, dürfen nicht die empfundenen Helligkeiten invertiert werden, sondern die physikalischen Intensitäten Y, die nichtlinear über die sogenannte Gamma-Korrektur mit der Helligkeit zusammenhängen. Diese Rechnung wurde durchgeführt, um das dritte Bild in der obigen Reihe zu bekommen. Tja, es sieht auch nicht genau so aus, wie das Spiegelbild des zweiten, aber es ist diesem immerhin ähnlicher. Der Grund für die Diskrepanz ist, dass die exakten Farben nicht dargestellt werden können, und für die in den darstellbaren Bereich projizierten gilt nicht mehr, dass die linke Bildhälfte das Negativ der rechten ist und die exakten Komplementärfarben zeigt.
Unten rechts nun das richtige Negativ zum obigen Beispiel:
Zunächst wird das umzuwandelnde Bild im Portable Pixmap Format (Endung .ppm) binär (als Rohdaten) abgespeichert, das geht mit dem Bildbetrachtungs- bzw. Bearbeitungsprogramm. Diese Datei wird tempin.ppm genannt; für die Ausgabe wird eine zunächst leere Datei tempout.ppm bereitgestellt. Die Umwandlung geschieht mit einem kleinen Programm, KonvNegP6.ps, wofür man einen PostScript-Interpreter braucht, siehe „Programmieren in PostScript“. Danach wird die Ausgabedatei wieder unter anderem Namen im gewünschten Format abgespeichert. Ein- und Ausgabedatei und das Umwandlungsprogramm müssen sich im selben Ordner befinden, in dem man den PostScript-Interpreter ausführen lässt.
Anmerkung zu Ghostscript (Juni 2021):
Ab Version 9.50 wird Ghostscript per default im SAFER-Modus gestartet, der das Lesen und Schreiben von Dateien verhindert. Dieser Modus kann durch den Parameter -dNOSAFER beim Aufruf von GS ausgeschaltet werden. Die entsprechende Kommandozeile kann unter Windows beispielsweise so aussehen:
(Die Anführungszeichen müssen wegen des Leerzeichens im Pfad gesetzt werden.)
Ich habe probeweise ein berechnetes Testbild erstellt, an dem man überprüfen kann, was bei der Umkehrung der Farben geschieht. Es wird die Beobachtung eines weißen Streifens auf schwarzem Grund durch ein Prisma simuliert sowie der umgekehrte Fall eines schwarzen Streifens auf weißem Grund.
Das Testbild sollte eigentlich so aufgebaut sein, dass die untere Hälfte genau das spiegelbildliche Negativ der oberen Hälfte ist. Aber da die Farben in der zweiten Zeile nicht exakt die prismatischen sind, und weil die Helligkeit in der unteren Hälfte etwas reduziert werden musste, um die entstehenden Farben richtig wiederzugeben, ist dies nicht der Fall.
Im CIE-x-y-Diagramm rechts ist der auf einem sRGB-Bildschirm darstellbare Bereich als buntes Dreieck zu sehen. Die beiden schwarz eingezeichneten Kurven sind die geometrischen Örter der Farbkoordinaten, die in den farbigen Streifen des Testbildes gezeigt werden sollten. Der eine, im Violettblau beginnende, liegt ganz außerhalb der RGB-Palette, der andere beginnt im Weißen bzw. Hellgrauen und liegt ganz innerhalb. Über die Helligkeit sagt dieses Bild nichts aus.
Man kann dem Diagramm auch entnehmen, dass die Farben eines schmalen weißen Streifens auf schwarzem Grund, durch ein Prisma gesehen, visuell von monochromatischen Spektralfarben kaum zu unterscheiden sind. Die Möglichkeit (oder Unmöglichkeit), ein Spektrum zu reproduzieren, habe ich schon behandelt. In dem Testbild wurden einfach die negativen Werte von R, G uund B Null gesetzt, ohne danach die Helligkeit zu korrigieren.
Verzichtet man in dem unteren Teil des Testbildes auf das Reduzieren der Helligkeit, also auch dort auf die exakte Farbwiedergabe, so werden RGB-Werte größer als 1 auf 1 gesetzt. Dies entspricht genau dem Nullsetzen der negativen Werte im oberen Teil des Bildes. In diesem Fall stimmt das Negativ daher mit dem nach oben oder unten gespiegelten Original überein.